Canyon setzt auf vier Räder für trockene Fahrten am Stau vorbei

Ein Hingucker auf vier Rädern überrascht im Showroom von Canyon in Koblenz. So stellt sich der Hersteller sportlicher Bikes die Zukunft der Mobilität in Städten vor.

Ein kleines Team hat dieses  „Future Mobility Concept“ entwickelt.  Projektleiter ist Sebastian Wegerle (Jahrgang 1983), der bei Canyon für die Entwicklung in den Bereichen „Urban & Fitness“ zuständig ist. Wir sprachen mit dem Wirtschaftsingenieur über eine Zukunftsvision, die ihm am Herzen liegt.

Dieses Team hat das Future Mobility Concept entwickelt (von links): Ingenieur Lukas Schuchnigg, Produktdesigner Alexander Forst, Masterand Alexander Lawundy und Projektleiter Sebastian Wegerle.

Respekt. Ihr Konzept-Fahrzeug schaut futuristisch und schick aus. Doch was ist es denn nun: Ein Auto dank vier Rädern oder ein Fahrrad, bei dem man in die Pedale treten muss?

Wegerle: Eine Mischung aus beiden. Wir haben uns gefragt, wo ist die Lücke mit Perspektive für die Zukunft? Es gilt, den recht schmalen richtigen Grad zwischen Fahrrad und Auto zu finden. Als Hersteller mit Leidenschaft für Fahrräder bringen wir das Knowhow mit für ein Fahrzeug, bei dem man in die Pedale treten muss. Und zwar in beiden Fahr-Modi: In einem Pedelec  elektrisch unterstützt mit bis zu 25 Stundenkilometern oder als Elektro-Leichtfahrzeug  mit höchstens 60 Stundenkilometern.

Zeichnungen und Simulationen

Aber warum so ein Mittelding? Tut es nicht genau so beispielsweise ein elektrischer Kabinenroller oder ein kostengünstiges Mini-E-Car?

Wegerle: Uns geht es darum, dass das Fahrzeug unterschiedliche Verkehrs-Infrastrukturen sowohl für Autos als auch für Fahrräder nutzen kann. Bei freier Fahrt kommt man auf Straße schneller voran. Je näher an den Stadtzentren, umso schwieriger wird das. Da macht der Wechsel auf den Radweg Sinn – mit angepasstem Tempo vorbei am Stau.

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So könnte das Konzept-Fahrzeug künftig auf dem Radweg am Stau vorbeifahren.

Ein super wichtiges Thema

Canyon ist bekannt als Fahrradhersteller mit sportlicher DNA. Führt die Zukunft von Canyon jetzt in eine neue Richtung als Mobilitätskonzern?

Wegerle: Mobilitätskonzern ist schon ein sehr großes Wort. Doch wie sich Mobilität in Zukunft verändern und verbessern lässt, ist für uns ein super wichtiges Thema. Das kann für Canyon schon ein zweites Standbein werden.

Im Moment ist ihre flotte Kiste erst eine Konzeptstudie. Wie wahrscheinlich ist es, dass das Mini-Mobil uns einmal genauso auf den Straßen begegnen wird?

Wegerle: Wir testen mit unserer Vision, wie kommen die Ideen bei Interessierten an?  Wir suchen da einen breiten Austausch. Gibt es noch Verbesserungsbedarf bis zur finalen Lösung? Außerdem wollen wir erreichen, dass sich Experten mit der Idee des Wechsels zwischen Straße und Radweg auseinandersetzen.

Voll verkleidet und wetterfest

Warum braucht es ein neues Konzept für Mobilität in der Zukunft? Erklären Sie mir das  an ihrem Beispiel. Wie fahren Sie bisher in die Arbeit  und was stört Sie?

Wegerle: Mich persönlich stört gar nicht so viel. Ich radle fast immer die 7,5 Kilometer am Rhein und an der Mosel entlang zu meinem Arbeitsplatz in Koblenz – und zwar häufig an Staus vorbei. Ich frage mich dann: Warum stehen viele immer noch lange im Stau? Das ist doch eine verrückte Idee. In deutschen Großstädten summiert sich das durchschnittlich auf 160 Stunden Stillstand im Jahr pro Fahrer. Ich habe kein Problem damit, auch bei schlechtem Wetter zu radeln. Doch viele Autofahrer wollen nicht raus aus der Komfortzone. Der üblicherweise fehlende Witterungsschutz ist ein entscheidender Grund, nicht aufs Fahrrad umzusteigen. Darum ist unser Konzept-Fahrzeug voll verkleidet.  Da wird niemand nass.

Dann starten wir zumindest gedanklich in die Zukunft der Mobilität. Sie sind der Testfahrer: Lassen Sie uns  teilhaben an einer Fahrt  in dem „Future Mobility Concept“-Fahrzeug. Wäre für mich auch noch Platz zum Mitfahren oder für einen Einkauf?

Wegerle: Eher nicht. Hinter dem Fahrer könnte noch ein Kind im Alter bis etwa elf Jahren Platz nehmen. Alternativ könnten wir einen üblichen Einkauf oder zwei Bierkisten einladen. Für die allermeisten Fahrten reicht der Platz jedenfalls aus.

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Die Innenansicht zeigt, wie vorne ein Erwachsener und hinten ein Kind Platz nehmen könnten.

Eine Haube wie bei einem Jet

Wie steigt man überhaupt ein. Ich sehe keine Türen im üblichen Sinne.

Wegerle: Ähnlich wie bei einem Kampfjet schiebt man die Panorama-Haube nach vorne. Man stützt sich mit den Händen ab und steigt ein wie in eine Badewanne. Während der Fahrt bleibt die Haube normalerweise halb offen, damit man frische Luft und die Umwelt weiter wahrnimmt. Bei Regen wird geschlossen. Die Haube ist leichter, effizienter und preiswerter als Türen.

Sie hatten zumindest virtuell schon Platz genommen in dem Prototyp? Wie sitzt es sich denn da?

Wegerle: Es geht uns um Alltagstauglichkeit. Die Sitzposition  ist darum aufrechter als auf einem Liegefahrrad. Man fühlt sich nicht eingeengt, weil kein Lenkrad und keine Kette zur Kraftübertragung im Weg sind.

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Wenn es nicht regnet, bliebe die Panorama-Haube bei der Fahrt halboffen.

Wie kriegt man die Kurve und wie wird die Kraft von den Pedalen übertragen?

Wegerle: Gelenkt wird mit zwei seitlichen Steuerhebeln, an denen sich auch die Bremshebel befinden. Die Pedalkraft wird in einem Generator in Strom umgewandelt, der in einen Akku im Heck eingespeist wird. Dieser treibt mit Elektromotoren die Hinterräder an.

Wie wird losgefahren? Muss man kräftig treten, um das Ganze in Schwung zu bringen?

Wegerle: Es gibt ja kein Gaspedal. Man muss schon treten. Mit wie viel eigener Kraft oder elektrischer Unterstützung entscheidet der Fahrer wie bei einem E-Bike selber. Je nachdem ob er es eher komfortabler bevorzugt, um nicht verschwitzt am Arbeitsplatz anzukommen, oder eher sportlich.

Wie weit kommen wir denn? Für eine Single-Urlaubsfahrt wird es wohl nicht reichen oder?

Wegerle: Vielleicht noch für einen Urlaub vor der Haustür. Aber für lange Überlandfahrten ist das „Future Mobility Concept“  nicht gedacht. Die Reichweite bei vollgeladenem Akku beträgt etwa 150 Kilometer. Für die meisten Pendler reicht das mehrere Tage lang.

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Sebastian Wegerle stellt die Konzept-Studie im Canyon-Showroom vor.

Für Knautschzonen bleibt nicht viel Platz. Wie steht es um die Sicherheit?

Wegerle:  Dafür sorgen Anschnallgurt, umschließender Rahmen, Überrollbügel und Crashelemente aus Schaumstoff. Das ermöglicht einen Standard wie bei einem leichten Elektromobil. Die Crash-Anforderungen wie bei einem herkömmlichen Auto sind aber nicht zu erfüllen.

Wie lange wird es dauern, bis aus dieser Studie Wirklichkeit wird?

Wegerle: In drei bis fünf Jahren möchten wir das Fahrzeug auf den Markt bringen.

Der Radweg ist nicht die Herausforderung

Canyon baut bisher Fahrräder. Müssen Sie für die Verwirklichung beispielsweise  einen Autohersteller mit an Bord nehmen?

Wegerle: Wir greifen auf Fahrradtechnik zurück. Aber für den Antrieb mit E-Motoren und die kettenlose Kraftübertragung brauchen wir Partner.

Es gilt auch, straßenrechtliche Voraussetzungen zu klären. Wie stehen die Chancen, dass das Mittelding aus E-Bike und Mini-Auto auch auf Fahrradwegen fahren darf?

Wegerle: Nicht der Radweg ist die Herausforderung. Dort dürfen Pedelecs ja schon fahren. Rechtlich schwieriger ist der Wechsel zurück auf die Straße, wenn das Fahrrad wieder zum leichten E-Auto mit Kennzeichen wird. Doch wir glauben, dass sich in der Zulassungsverordnung künftig etwas ändern wird.

Designer Alexander Forst beim Entwerfen der Fahrzeug-Studie (Bild links)
© Stefan Simak / Canyon Bicycles (Mitte u. rechts)

Kein Nischenprodukt für Gutverdiener-Nerds

Wird das neue Gefährt eine teure Angelegenheit?

Wegerle: Zielvorstellung ist ein Preis zwischen 5000 und 7000 Euro. Wir wollen ein  Qualitätsprodukt zu einem fairen Preis anbieten. Es ist nicht als Nischenprodukt für Gutverdiener-Nerds gedacht.

Ich habe den Eindruck, Sie hängen persönlich an diesem Projekt. Warum ist es Ihnen so wichtig?

Wegerle: Für mich ist es eine Herzensangelegenheit. Ich bin überzeugt, es gibt bessere Alternativen für die Mobilität der Zukunft. Es geht dabei nicht darum, jemandem etwas oberlehrerhaft aufs Auge zu drücken, sondern Probleme anzupacken.

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Sebastian Wegerle (links) und Designer Alexander Forst tüfteln an einem Modell des Konzept-Fahrzeugs.

Hat an diesem Projekt außer dem Canyon-Team noch jemand mit getüftelt?

Wegerle: Alexander Lawundy hat seine Masterarbeit an der Technischen  Hochschule Aachen (RWTH) über die technischen Voraussetzungen geschrieben. Sein Blickwinkel von außen mit dem Focus aufs Auto hat geholfen. Mittlerweile arbeitet Alexander Lawundy als Entwicklungsingenieur bei uns.

Wenn sie einmal wirklich in die Pedale treten können, wohin führt ihre erste Fahrt in dem Konzept-Fahrzeug?

Wegerle: Zum Bierholen. In Koblenz muss man für gutes bayerisches Bier leider ins Industriegebiet. Somit ist das der einzige Weg, bei dem ich derzeit wirklich auf das Auto angewiesen bin.

Interview und Text: Andreas Schmidt
Fotos: © Stefan Simak / Canyon Bicycles
Canyon Website: www.canyon.com/de-de/

Fahrzeugdaten zum „Future Mobility Concept“ von Canyon

Abmessungen: 83  x 101 x 230 Zentimeter (Breite/ Höhe/ Länge)
Wendekreis: etwa 7 Meter
Gewicht: rund  95 Kilo
Zuladung: bis zu 250 Kilo
Höchstgeschwindigkeit: 60 Stundenkilometer
Reichweite: gut 150 Kilometer bei 2000Wh
Antrieb: zwei Elektromotoren mit insgesamt 2000 Watt

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